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Widersprüchliche Spekulationen und Gerüchte grassieren über den Denkmalschutz-Status der Parkstadt Bogenhausen. 
Hier also der Original-Wortlaut des Eintrags in die Denkmalliste vom 10.1.1996:

(Abschrift)

Untere Denkmalschutzbehörde - Landeshauptstadt München          (Nr. 2 / Seite 36)


DENKMÄLER IN BAYERN / DENKMALLISTE TEIL A: BAUDENKMALE 
Ergänzungsblatt: Nachtrag 
Gemeinde: Stadt München
Ort: München

Anhang zum Denkmallisten-EintragObjekt: Ensemble* Parkstadt Bogenhausen

Umgrenzung: im Norden durch den Schreberweg, im Süden durch die Stuntzstraße, im Osten durch die Gotthelfstraße, im Westen durch die Richard-Strauß-Straße; einbezogen sind die Beblo-, Busching- und Morgenrothstraße. Im einzelnen sind folgende Hausnummern betroffen: Beblostraße 1-18, 20-32 (gerade), Buschingstraße 1-51, 53-69 (ungerade), Gotthelfstra8e 21-135 (ungerade), Morgenrothstraße 1-37, 39-65 (ungerade), Stuntzstraße 3-85 (ungerade). 

Die Parkstadt Bogenhausen ist als qualitätsvolles Beispiel des fortschrittlichen Siedlungsbaus der fünfziger Jahre ein Ensemble. Unstrittig ist ihre überregionale Bedeutung: Innerhalb der Architekturentwicklung zu einer zweiten Moderne im Nachkriegsdeutschland nimmt sie einen festen Platz ein. Unstrittig ist auch ihre Bedeutung für ganz Bayern und München, wo sie Mitte der fünfziger Jahre das umfangreichste Siedlungsprojekt darstellt. Nach einem Bebauungsplan des Architekten Franz Ruf ist die Parkstadt Bogenhausen in den Jahren 1955/56 innerhalb des Straßengevierts Richard-Strauß-Straße im Westen, Gotthelfstraße im Osten, Stuntzstraße im Süden und Schreberweg im Norden entstanden. 
Der Ensemblebereich ist mit der von Franz Ruf überplanten Fläche identisch. Gleichzeitig ist die Siedlung ein Gemeinschaftswerk mehrerer Architekten: Hellmuth von Werz, Matthä Schmölz, Johannes Ludwig und Hans Knapp-Schachleiter waren beteiligt, die Gestaltung der Grünflächen stammt von dem Gartenarchitekten Alfred Reich. 

In Anknüpfung an städtebauliche Prinzipien und Leitvorstellungen des Neuen Bauens der zwanziger Jahre wurde in der Nachkriegszeit zur HersteIlung gesunder Wohnverhältnisse erneut - gemäß den damals schon gefundenen Ergebnissen - die Orientierung spürbar an möglichst viel Licht, Luft und Freiraum, wurde das Abrücken vom Verkehr angestrebt, immer mehr eine Unabhängigkeit der Gebäudestellung vom Straßenverlauf und eine aufgelockerte Bebauung, auch nach der Höhe unterschiedlich gruppiert. Der strenge Zeilenbau der Siedlungen des Neuen Bauens wurde im Verlauf der fünfziger Jahre immer mehr aufgelockert. Geschwungene Straßen- und Wegeführungen, eingebettet in Grünanlagen, aus denen sich in asymmetrischer Streuung Einzelbauten als städtebauliche Dominanten erheben, bringen malerische Elemente in den Siedlungsbau, obwohl er von Zeilenbauten in kubischer Strenge bestimmt wird. Eben dieses Entwicklungsstadium ist in der Parkstadt Bogenhausen ablesbar. 

Mit den Wohnhochhäusern der 1952-54 im Südwesten der Stadt errichteten Siemens-Siedlung (vgl. Boschetsrieder Straße 118) hatte zum ersten Mal eine moderne städtebauliche Konzeption Eingang gefunden in das bis dahin konservative Münchner Stadtbild. Mit der Parkstadt Bogenhausen entstand im Osten Münchens Mitte dar fünfziger Jahre das ebenbürtige Gegenstück, allerdings nicht als Werkswohnungsbau, sondern auf Initiative von gewerkschaftlich-genossenschaftlichen Bauträgern und in etwa vierfacher Größenordnung. Bauherr der Parkstadt war die Gemeinnützige Wohnstättengesellschaft von 1910, Hamburg, als Maßnahme- und Bauträger fungierte die Neue Heimat Bayern, in deren Besitz die Siedlung 1967 überging. 

Unmittelbar am Ostrand des Villenvorortes Bogenhausen fand sich - in städtischem Besitz - ein 220000 m² großes, freies Grundstück mit allen notwendigen Versorgungsleitungen und den umgrenzenden ausgebauten Straßen. Durch die zusammenhängende Planung konnte man die bestehende Staffelbauordnung mit Einzelparzellierung und genauem Baulinienplan durch eine differenzierte Bebauung ablösen und gewann dadurch zusammenhängende Grünflächen und die Möglichkeit, verkehrsfreie, lärmgeschüzte Wohnungen zu errichten. 

Das von einem Straßengeviert begrenzte weiträumige Gelände wird durch die in einer weiten Kurve geführte Buschingstraße erschlossen, von der die Beblostraße als eine Art innerer Ring abzweigt. Befahrbar ist auch die kleine Morgenrothstraße, die kurz vor dem östlichen Ende der Buschingstraße nach Norden abzweigt, um dann nach Osten in die Gotthelfstraße überzuleiten. Ansonsten eröffnen nur Stichstraßen und Parkwege die einzelnen Gebäude und zentralen Grünflächen. Um möglichst viele verschiedene Wohnansprüche zu erfüllen, wurden auf dem großräumigen Gelände Wohnhochhäuser, unterschied1ich hohe Stockwerksbauten und auch Reiheneigenheime wie zu einer kIeinen Stadt zusammengefügt, die auch die notwendigen öffentlichen Einrichtungen erhielt: Fernheizwerk, Zentralwäscherei, Kindergarten, Schule, ein großes Ladenzentrum mit Gaststätte, ein kleineres Ladenzentrum. Ein Kino kam über die Planung nicht hinaus. Kirchen wurden in unmittelbarer Quartiersnähe errichtet.

Die Stellung und Massierung der verschiedenen Baukörper ging von der Überlegung aus, die optische Weitläufigkeit der Gesamtanlage zu sichern, wenn nicht zu steigern, lärmfreie Wohnungen zu schaffen, die notwendige Infrastruktur einzubinden und ein optisch vielfältiges Gesamtbild zu schaffen, das der Siedlung gleichzeitig auch eine Unverwechselbarkeit gibt. Von zentraler Bedeutung sind die Grünanlagen. Die Mitte der Siedlung wird von einer ausgedehnten Wiese gebildet mit Fußwegen, die zur Schule, zum Kindergarten und zum Ladenzentrum mit Gaststätte führen. Während diese Gemeinschaftseinrichtungen flach gehalten sind, auch der innere Ring an der Beblostraße eine lediglich viergeschossige Bebauung aufweist, gewinnen die Bauten vor allem an der Süd- und Nordseite an Höhe. Im nördlichen Siedlungsbereich bilden fünf Wohnhochhäuser mit 15 bzw. 12 Stockwerken über T-förmigem Grundriß die Dominanten der Siedlung. Sie sind als Dreier- bzw. Zweiergruppe angeordnet, zwischen denen achtgeschossige Zeilenbauten vermitteln. Die Hochhäuser wirken für die Fernsicht als klare kubische Formen, weisen bei Nahsicht aber leicht konkav geschwungene Wände auf; ihr Charakteristikum liegt in der gleichmäßigen Gestaltung der durch die konstruktiven Teile vorgegebenen Fassadenfelder: Decken und Wände zeichnen sich an der Außenhaut durch farbig behandelte breite Bänder ab und geben den Bauten einen ablesbaren Maßstab. In spannungsreichem Kontrast dazu die niedrige, aber weitläufig angelegte Ladenzeile mit Parkgaststätte, die durch filigrane Arkaden verbunden sind. Der Krümmung der Buschingstraße folgen die westlich von ihr situierten vier- und fünfgeschossigen Zeilenbauten. Fast genau nord-südlich orientiert sind die achtgeschossigen Wohnhochhäuser an der Stuntzstraße. Sie werden entweder durch niedrige Eckbauten oder quergestellte Garagenhöfe zusamengefaßt. Am Ostrand wurden der Parkstadt zweigeschossige Eigenheime in Zeilenbauweise angegliedert.

Die Siedlung umfaßt etwa 2000 Wohnungen für rund 6000 Bewohner. Circa 15 verschiedene Wohnungstypen von 26 m² großen Einzimmer-Appartements bis zu 80 m² großen 4 1/2 Zimmer-Wohnungen wurden eingeplant. Die Wohnungsgrundriße zeigen überwiegend die sog. amerikanische Lösung, d.h. wenig Verkehrsflächen, weil die Wohnzimmer zur Erschließung der übrigen Räume dienen. Der Ausstattungsstandard der Wohnungen war für die damalige Zeit sehr hoch. Alle Wohnungen besitzen Bäder, Zentralheizung, Balkon oder Loggia.

In Ergänzung zu den 740 Garagen wurde 1969 zusätzlich eine Tiefgarage mit 460 Stellplätzen errichtet.

Datum: 30.1.1996

(Unterschrift)

Anm.: Diesen Text findet man auch in: Paula, Georg (Bearb.), Denkmäler in Bayern, Band 1.A - Ensembles in Oberbayern; Edition Lipp, Karl M. Lipp Verlag, München, 1997, Seite 48-49. Dort ist zusätzlich auch ein aktuelles Luftbild (Schrägaufnahme von Süden) abgebildet.

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Begriffsdefinition: Ensemble

Ein "Ensemble" ist nach Art.1 Abs.3 DSchG (Denkmalschutz-Gesetz) als "Mehrheiten von baulichen Anlagen" definiert. Diese Bestimmung schafft die Möglichkeit, nicht nur einzelne bauliche Anlagen, sondern Plätze, Straßen, Gebäudegruppen, ganze Ortskerne und Stadtviertel zu erhalten.
Im Gegensatz zum Einzeldenkmal ist hier entscheidend, dass mehrere Gebäude zusammen (als Gruppe) ein historisches Bild darstellen, welches als Ganzes erhaltungswürdig ist.
Dabei ist zu beachten, dass einzelne Gebäude innerhalb eines Ensembles sehr wohl Denkmaleigenschaft besitzen können - im Fall der Parkstadt Bogenhausen: Parkgaststätte, Großes Ladenzentrum, St.Capistran-Kirche. Doch gibt es in aller Regel auch viele Gebäude in Ensembles, die für sich allein keinen Denkmalcharakter haben und trotzdem als Ensemble-Bestandteil unter Denkmalschutz stehen. 
In seiner Gesamtheit bildet das Ensemble ein herausragendes Beispiel für eine kunstgeschichtlich abgeschlossene Epoche.

Die Festlegung der Ensemble-Bereiche wurde dem Landesdenkmalrat übertragen, der überdies nach Art.14 Abs.1 DSchG die Aufgabe hat, die Staatsregierung zu beraten und in wichtigen Fragen der Denkmalpflege mitzuwirken.
In Oberbayern stehen ca. 248 Ensembles unter Denkmalschutz, 73 davon allein in München (Stand: 1997).

Quellen u.a.: Dr. Gottfried Kerscher, Kunsthistoriker u. Denkmalpfleger; Prof. Dr. Michael Petzet, ehem. Generalkonservator.

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Links zum Thema Denkmalschutz:

"Denkmalschutz" - beinahe jeder kennt diesen Begriff. Aber was (und wer) steckt wirklich dahinter? 
Wer sich näher mit dem Thema auseinandersetzen will, muss
SEHR viel Geduld mitbringen: es war schon schwer genug, an den oben abgebildeten Text 'ranzukommen ;-). Schade, dass sich unsere Kunsthistoriker gar so sehr in ihren Archiven verschanzen.

Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege - die "offizielle" Site
(leider sehr dürftig und wenig ergiebig)
http://www.blfd.bayern.de

Denkmalschutz und Denkmalpflege in Bayern - hier gibt's u.a. Antworten auf 5 wichtige Fragen:
Ein Denkmal - was ist das eigentlich?
Welche Voraussetzungen muss ein Gegenstand erfüllen, um ein Denkmal zu sein?
Gibt es Verzeichnisse der Denkmäler?
Hängt die Denkmaleigenschaft eines Gegenstandes von einem förmlichen Verfahren ab?
Womit beschäftigen sich Denkmalschutz und Denkmalpflege?
(recht gute, informative Site - auch für's normale Volk (= Nicht-Kunsthistoriker)

http://www.stmukwk.bayern.de/kunst/denkmal.html

Denkmalpflegediskussion.de - Texte und Thesen zur Denkmalpflege; Expertenforum 
(sehr wissenschaftlich orientiert, aber interessant und überraschend kritisch)
http://www.denkmalpflegediskussion.de

Monumentum.net - mit sehr ausführlicher Linkliste:
http://www.denkmale.de/steuerung/s-links.htm

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